"Sehr geehrter Herr Landrat Seefried, sehr geehrte Amtsträgerinnen und Amtsträger, sehr geehrte Weggefährten und Gefährtinnen, liebe Vogelkundler und Naturschützerinnen, lieber Gert,
ich habe heute die ehrenvolle Aufgabe im Namen des NABU KV Stade hier zu sprechen und möchte vor allen Dingen Deine Bedeutung für unseren Naturschutzverband herausstellen, was in Wirklichkeit
viel zu eng gefasst ist: Dein Interesse galt und gilt dem Vogel- und Naturschutz und dafür hast du dir Weggefährten in verschiedenen Vereinen, Verbänden und Organisationen gesucht, so wie es der
Sache dienlich war.
Die Schilderung deiner Bedeutung für Vogel- und Naturschutz geht nicht, ohne Berücksichtigung von zwei kleinen Episoden aus deiner Kindheit und Jugend, in denen du bereits in sehr jungen Jahren als naturinteressiert, wissbegierig und entdeckerfreudig geschildert wirst. Bereits mit drei Jahren bist du mit dem Handwagen so weit hinausgezogen, dass man dich nicht auf Anhieb wiederfand. Diesem Impuls bist du auch im Erwachsenenalter gefolgt.
Das Interesse für Störche, so hast du uns erzählt, hat sich ausgerechnet an einem Irrtum, einer falschen Annahme entzündet. Du hattest vermutet, dass der weiße Vogel, den du auf einem Dach in Himmelpforten gesehen hast, eine Gans ist. Ein Storch ist es, hörtest du von deiner Mutter und der Umstand, dass unter dem Dach, auf dem der Storch stand, am Folgetag ein Kind geboren wurde, hat dein lebenslanges Interesse für diese Vögel begründet, so die Erzählung.
Das Schöne daran, auch falsche Annahmen können im positivsten Sinne Weg weisend sein!
Du hast dich im Aufwachsen intensiv mit Vogelkunde beschäftigt, hast umfangreiche Artenkenntnis erlangt und dich in wichtige Aufgaben des Vogelschutzes eingearbeitet. Bereits im Alter von 18
Jahren warst du nach Lehrgängen in Wilhelmshaven Beringer der Vogelwarte Helgoland, dessen Leiter Dr. Goethe war. Er war der Auffassung, dass die Kenntnisse über Störche bereits ausreichend waren
und wollte dich deswegen gerne auf die damals recht unerforschten Türkentauben ansetzen. Du warst aber in deinem Interesse für den Storch unbeirrbar und konntest das Wissen über Störche über die
Jahrzehnte erfolgreich mehren. Und vor allen Dingen konntest du durch dein Engagement die Storch-Population im Landkreis nach einem Tiefstand mit nur 15 Nestpaaren 1988 bis heute wieder
versechsfachen, in dem du Storchennestbesitzer ermutigt, tatkräftig bei anfallenden Arbeiten unterstützt und Gelder, Material und Genehmigungen für Nahrungshabitate oder Nisthilfen organisiert
hast.
Du wurdest als Polizist hinzugerufen, wenn verletzte Störche aufgefunden wurden und hast dann falls notwendig eine Unterbringung in der Storchenpflegestation in Verden bei der Familie Storch, der
Name war Programm, organisiert.
Unter dem Dach der Vogelschutzwarte, die heute in das NLWKN integriert ist, hast du mit Hartmut Heckenroth die Arbeitsgemeinschaft Storchenbetreuer Niedersachsen zu Zeiten ins Leben gerufen, als
deren Bestände drastisch zurückgegangen waren.
Nach der Sturmflut 1962 mit 51 Deichdurchbrüchen im Landkreis hat sich dein Engagement für Naturschutzbelange intensiviert. So warst du zwischen 1970 und 76, selbstverständlich neben deinem
Beruf, Schutzgebietsreferent des Hullen für den Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e. V. Dieses Außendeichgelände im Mündungsgebiet der Oste hast du währenddessen vor der
Eindeichung bewahrt. In deiner Nachfolge hattest du dafür gesorgt, dass fortan ein hauptamtlicher Vogelwart auf einer Vogelbeobachtungsstation für das Gebiet zuständig war.
Auch bei weiteren Planungen für eine wehrhafte vordere Deichlinie hast du dich – natürlich mit anderen - erfolgreich für die für Küstenvogelschutz hochbedeutenden Deichvorländer im LK Stade eingesetzt. Beispielhaft genannt seien der Schwarztonnensand, einer in den 70er Jahren aufgespülten Sand- und Schlickbank in der Unterelbe, und der Asslersand, die du zum einen vor der Ansiedlung von Schwerindustrie bewahren, und zum anderen als für Küstenvögel bedeutsame Außendeichs-Lebensräume erhalten konntest. Wie schon erwähnt, du warst nicht der Einzige, der sich für deren Erhalt eingesetzt hat, aber du giltst als der maßgebliche. Durch deine europaweiten Bekanntschaften hattest du viele Register, die du dabei ziehen konntest:
Im Rahmen deiner Mitgliedschaft bei dem Verein Jordsand bist du seit langem Referent für Schwarztonnensand, mittlerweile in Kooperation mit Andreas Nees. Unter
deiner Anleitung hatten Gymnasiasten mit Beobachtungen von Zwergseeschwalben Mitte der 70er die vogelkundliche Arbeit aufgenommen. Seit dem ist die Insel zu einem Kleinod für Vogel- und auch
Vegetationskundler geworden, auf dem Bestands-Entwicklungen regelmäßig dokumentiert werden.
Eine lustige Anekdote aus der Bestandserfassung von Zwergschwänen hat Andreas Albig mir zugetragen. In den 70er Jahren beschäftigtest du dich intensiv im Winter mit den rastenden Zwergschwänen an
der Elbe und dabei vor allem mit dem Ablesen von Ringdaten. Denn du standest in engem Austausch mit englischen Forscherinnen, die Daten beringter Zwergschwäne auswerteten. Um beringte Tiere in
einem Schwarm schneller identifizieren zu können, war es wohl damals üblich das Hinterteil des Schwans beim Beringen mit Pikrinsäure, eine laut Wikipedia recht gefährliche, weil explosive,
Substanz, gelb zu färben. Unter Ornithologen hielt man deswegen damals nach „Gelb-arsch-schwänen“ Ausschau.
Durch dein vielseitiges Interesse über die Küstenvögel hinaus lag es nahe auch für den Schutz sowie Erhalt und Entwicklung bedeutender Nahrungs-, Brut- und Rasthabitate Mitstreiter in anderen
Vereinen zu suchen. Deshalb bist du bereits seit Anfang der 60er Jahre Mitglied im BfV, Bund für Vogelschutz, den 1899 von Lina Hähnle gegründeten Vorläufer des NABU. Zu Beginn noch als
Einzelmitglied des Hamburger Landesverbands mit Betreuung über Ludwig Schleip aus Bremervörde, zuständig für Einzelmitglieder im Elbe-Weser-Raum, wo es noch keine Ortsgruppen oder Kreisverbände
gab. Lange Zeit gedrängt vom niedersächsischen Landesvorsitzenden Dr. Fedor Strahl warst du neben deiner Arbeit als Polizist von deinen avifaunistischen Forschungen eingenommen und hattest keine
Zeit für die Gründung einer Kreisgruppe. 1974 entstand dann im Raum Freiburg unter Federführung von Georg Ramm eine Freiburger Ortsgruppe, die du im Mai 1978 durch eine Gründungs- und
Werbeveranstaltung zu einer Kreisgruppe des mittlerweile als Deutscher Bund für Vogelschutz (DBV) firmierenden Vereins erweitert hast.
In deiner damaligen Begrüßungsrede konnte ich nachlesen, wie viele Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung und andere für den Naturschutz bedeutsamen Akteure aus Land, Forst und
Jägerschaft vertreten und auch damals bereits Mitglieder des DBV waren. Und natürlich waren viele Mitglieder von Jordsand und DBV anwesend, wie auch die LV der umliegenden Bundesländer. 100
Mitglieder gab es damals im Landkreis, 1500 sind es heute, wobei bedauerlicherweise im Vergleich zu früher der Anteil Aktiver drastisch gesunken ist. Als besonderes Highlight der
Gründungsveranstaltung hattest du damals den aus dem Fernsehen bekannten Tierfilmer Heinz Sielmann aufbieten können, der zu einem Festvortrag gekommen war.
In der Sache konntest du sehr entschieden und kämpferisch sein, und hast dadurch an fast allen Unterschutzstellungen im Raum Kehdingen mit deiner Kenntnis und den Erkenntnissen aus deinen
Beobachtungen mitgewirkt. Warst du von etwas nicht überzeugt oder lehntest es sogar ab, wie den Abschuss von Mäusebussarden zum Schutz von Hühnervögeln und Hasen, konntest du nach energischem
Widerstand Weggefährten auch den Rücken kehren. Bei allem, was du in all den Jahren bearbeitet und erkämpft hast, klang, wenn du davon erzähltest, bei keiner deiner Erzählungen Verbitterung
heraus vielmehr gab es Humor und Schmunzeln.
Deine Geradlinigkeit bei gleichzeitiger Zugewandtheit ist wunderbar. Dir gelingt es anderen auf Augenhöhe zu begegnen in einer Offenheit und Wachheit für den Menschen und auch für das Anliegen, das gerade auf dich zukommt. Dabei hast du auch nach vielen Ehrungen deine Bodenhaftung nicht verloren, bist weiterhin hilfsbereit, neugierig, umtriebig, und folgst offensichtlich dem Motto „wer rastet, der rostet.“
In diesem Sinne wünschen wir dir und uns mit dir viele weitere umtriebige Jahre - Und nicht zuletzt viele Schultern, die bereit sind das, was du aufgebaut hast, mit Freude mit
dir zusammen weiterzutragen. Die Vorstellung, dass du den einen Nachfolger, allein nur für dein Amt als Storchenbetreuer, finden könntest, hast du bereits, weil illusorisch, ad acta gelegt. Mögen
sich noch viele von deiner Begeisterung anstecken lassen!"